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(*A. Maslow)

Dieser Satz ist geklaut und sogar an sehr prominenter Stelle, aber er ist heute wichtig 🙂

Einen Bekannten von mir, einflussreicher Manager, mehr zuhause in Flieger und Bahn als in seinen eigenen vier Wänden, schwer übergewichtig und unter Dauer-Strom, habe ich seit ein oder zwei Jahren nicht mehr gesehen. Als wir beide uns das letzte Mal zufällig bei einer privaten Veranstaltung begegnet sind, wäre ich beinahe Gefahr gelaufen, ihn zu über-sehen, so wenig hatte er auf den ersten Blick noch von dem Menschen, den ich in meiner Erinnerung abgespeichert hatte.

Nicht unbedingt gertenschlank, aber deutlich sportlicher und dünner, entsprechend anders gekleidet, waren dies die Veränderungen, die mir als erstes ins Auge fielen, bei näherem Hinsehen und während unserer Unterhaltung fiel mir jedoch noch eine sehr viel weitreichendere Veränderung an ihm auf: Das erste Mal seit der langen Zeit, die wir uns kannten, blickte ich in ein entspanntes, glattes, unbekümmertes Gesicht und er schaffte es, auch meinen Blick zu halten, ohne sein übliches nervöses Augenzucken, das mir stets signalisiert hatte, dass er zwar körperlich noch anwesend, aber mit seinen Gedanken längst bei einer anderen Baustelle gewesen war. Dieser neue Mensch war mir auf einmal nahezu unheimlich und auch der Inhalt seiner Erzählungen und die Ruhe und Gewissenhaftigkeit, die er dabei ausstrahlte, war mir völlig neu. Ich muss gestehen, dass er mich fast ein bisschen nervte, als er auf einmal mit meiner „Lass-uns-doch-am-besten-jetzt-sofort-ein-neues-gemeinsames-Projekt-anfangen“-Art nicht mitzog, sondern mich auf einen späteren Termin vertröstete, bei dem wir alles doch in Ruhe besprechen konnten. Im späteren Verlauf des Gesprächs kamen wir dann schließlich an den Knackpunkt: Eine Auszeit bei einem mehrwöchigen Ayurveda-Seminar hatte meinen Freund dazu gebracht, all seine bisher so liebgewonnenen Lebenslaster aufzugeben und sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und seinen Zielen im Leben, weil es ja so nicht mehr hätte weitergehen können…

Erfahrungen dieser Art hat jeder von uns wohl schon einmal im Bekanntenkreis gemacht, wenn man ein bestimmtes Alter erreicht hat und es scheint auch ein mehr oder weniger typisches Alter für dieses Bedürfnis nach Selbstfindung zu geben. Und jetzt komme ich zu unserem berühmten Zitat 🙂

Abraham Maslow, der den oben stehenden Satz geprägt hat, ist der Begründer der sogenannten Bedürfnispyramide. Sie in Einzelheiten zu erklären, dauert zu lange, Interessierte findet eine Millionen Links bei google zu dem Thema. Ganz kurz und knapp besagt dieses Modell, dass es eine Hierarchie in unseren Bedürfnissen gibt. Das existentiellste sind dabei körperliche Bedürfnisse wie Essen, Trinken usw., danach geht es weiter mit Themen wie Sicherheit, sozialen Bedürfnissen, etc. Ganz an der obersten Spitze dieser Pyramide steht der Begriff “Selbstverwirklichung” und diese Begrifflichkeit verwenden wir ja auch heute noch.

Wenn wir uns unser Leben anschauen, so verläuft es bei den meisten Menschen in einem sehr ähnlichen Muster: Wir absolvieren unsere Schullaufbahn, Ausbildung, Studium, verbuchen unsere ersten beruflichen Erfolge, gründen eine Familie, unsere Kinder werden groß usw., bis wir uns irgendwann von bestimmten Themen wieder zurückziehen, um uns kleiner zu setzen. Was dabei auffällt, sind immer Wellenbewegungen: Wir engagieren uns auch hier immer in den Themen, die gerade existentiell wichtiger sind. Haben wir berufliche Sicherheit erlangt, die unsere Existenz sichert, sind wir bereit, uns dem Thema Familie und Nachwuchs zuzuwenden. Haben wir hier das Fundament für eine gute Entwicklung der Kinder gesetzt, wenden wir uns wieder mehr persönlichen Themen zu usw. (dies ist natürlich nur ein Modell, Ausnahmen oder außerplanmäßige Zwischenfälle gibt es natürlich immer….)

Und so kommt es auch, dass uns das sogenannte “Selbstverwirklichungs-Thema” häufig an Wendepunkten unseres Lebens trifft. Entweder, weil unsere persönliche Situation uns den Spielraum lässt, weil unsere Grundbedürfnisse gedeckt sind, oder, und hier würde ich mir erlauben, Mr. Maslow zu ergänzen 😉 , weil äußere Umstände uns dazu zwischen, in unserer Persönlichkeit etwas zu verändern, damit wir überhaupt in der Lage sind, unsere Grundbedürfnisse zu stillen. Nachvollziehbar? Wenn ich als graue Maus mein Leben auf einen starken Partner aufgebaut habe und dieser mich plötzlich verlässt und ich gezwungen werde, für mein Leben alleine zu sorgen, kann ich Sozialhilfe beantragen oder meine Persönlichkeitsstruktur komplett neu überdenken (oder beides nacheinander, dann sind wir wieder bei der Grundpyramide…)

Die andere Kernaussage des Zitats geht von diesem Schema noch weiter. Sie sagt: Wofür jemand das Talent und die Anlagen und die Leidenschaft hat, das muss er tun. Anders geht es nicht. Er führt das noch näher aus, indem er sagt: ein Musiker muss musizieren, ein Maler muss malen und ein Dichter muss schreiben, damit er im Frieden mit sich selbst sein kann. Im Umkehrschluss heisst das auch, dass wir nicht glücklich werden, wenn wir unsere Anlagen, unsere Bestimmung nicht ausleben. Wir werden, sofern wir unser Leben nicht bis zum Ende unserer Tage mit der Existenzsicherung verbringen, immer an einen Punkt kommen, wo wir nach dem “Mehr” fragen, nach dem “Warum” und dem “Wohin?”

Im I Ging nimmt die Suche nach sich selbst einen großen Stellenwert ein. Viele der Hexagramme beschäftigen sich damit, ein stabiles Fundament oder eine stabile Ordnung herzustellen. Der Tenor ist: Bevor wir anfangen, im Aussen zu suchen, müssen wir im Inneren zu Klarheit kommen. Neben diesen Hinweisen zum Handeln schafft das I Ging mit sich selbst eine gute Möglichkeit, auf dem Weg dahin, seine wahre Bestimmung zu finden. Indem wir uns freimachen von inneren Blockaden und auf den Grund unseres Herzens schauen und auf dessen Stimme zu hören, um dann das zu sein, was wir sein können oder sogar sein müssen.

Eine gute Zeit!

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